Immobilienpreise in Coronazeiten
Wie wirkt sich Corona auf Immobilienpreise aus?
Die COVID-19-Pandemie sorgt weltweit für wirtschaftliche Unsicherheiten. Am Immobilienmarkt ist hingegen von einer Krisenstimmung und Preiseinbrüchen bisher nichts zu spüren. Woran liegt das und wie sehen die Perspektiven aus?
Leerstehende Büroräume, Insolvenzen und so mancher Besitzer eines kreditfinanzierten Eigenheims in Kurzarbeit: Gründe für fallende Immobilienpreise gäbe es genug. Tatsächlich ist bisher allerdings das Gegenteil festzustellen: Die Preise steigen. Was steckt dahinter? Handelt es sich lediglich um die marktberuhigende Versicherung, die Preise seien stabil, sodass niemand auf die Idee kommt, von sich aus das Preisniveau zu senken?
Preisanstiege bei Immobilien im 2. Quartal
Das zweite Quartal 2020 von April bis Juni war der erste Dreimonatszeitraum, in dem Deutschland völlig von der Corona-Krise erfasst war. In diesem Zeitraum legten die Preise von privatem Wohnungseigentum um beachtliche 6,8 Prozent im Vergleich zum 2. Quartal 2019 zu. Bei Mehrfamilienhäusern belief sich der Anstieg auf 5,2 Prozent und bei Bürogebäuden auf 6,3 Prozent. Die einzigen Immobilien, die im 2. Quartal Negativwachstum verzeichneten, waren Geschäftsräume im Einzelhandel. Der Rückgang fiel jedoch mit 1,3 Prozent eher moderat aus.
Christian Balletshofer von der Bayerischen Hausbau sieht das Niveau der Nachfrage derzeit auf dem Stand vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Allerdings sei ein verstärktes Interesse an zusätzlichen halben Zimmern festzustellen, etwa bei Zweieinhalb- oder Dreieinhalb-Zimmer-Wohnungen. Er vermutet dahinter ein zunehmendes Bedürfnis, einen eigenen Platz für das Homeoffice in der Wohnung zu schaffen.
Diskrepanz zwischen Innenstadt und Speckgürtel
Hinter der durchschnittlichen Preisentwicklung verbergen sich durchaus gegenläufige Entwicklungen bei bestimmten Wohnlagen. So verweist Zukunftsforscherin Marion Peyinghaus vom Competence Center Process Management Real Estate auf die Diskrepanz zwischen Innenstadtlagen und den Speckgürteln der Städte. Während in den Innenstädten die Preise nicht vom Fleck kommen, legen sie im Speckgürtel zu. Die Pandemie habe diese gegensätzliche Entwicklung allerdings nicht geschaffen, sondern wirke lediglich als Verstärker bestehender Trends.
Lebensqualität ist Trumpf am Immobilienmarkt.
Den Wunsch nach mehr Lebensqualität sieht Peyinghaus als einen besonders wichtigen Faktor am Immobilienmarkt. Neben dem Homeoffice werden auch Kriterien wie gute Luft, Klimaschutz und kurze Wege immer wichtiger. Dies zeige sich zum Beispiel am Entstehen sogenannter Urban Villages an den Rändern größerer Städte, die sich durch eine gute Durchmischung aus Immobiliennutzung zum Arbeiten und Wohnen auszeichnen. Der Trend ist in Frankreich und einigen asiatischen Ländern schon länger präsent.
“Betongold” bleibt gefragt.
Ein Faktor, der dem nachhaltigen Absacken der Preise entgegensteht, ist die ungebrochene Attraktivität von Immobilienbesitz als Geldanlage. Am niedrigen Zinsniveau wird sich in absehbarer Zeit vermutlich wenig ändern. Der Goldpreis hat bereits so stark zugelegt, dass das Edelmetall in Euro schon vor Monaten ein neues Allzeithoch erreichte. Die Entwicklungen am Aktienmarkt sind extrem erratisch und zuletzt auch vom Wirecard-Skandal überschattet. In diesem Umfeld erscheinen Immobilien als eine solide und vertraute Form des Investments, die noch dazu seit langem steigende Renditen einbringt.
Derselbe Nachfrageüberhang wie bei Gebäuden zeige sich auch bei den Grundstücken, stellt der Vorsitzender des Arbeitskreises der Oberen Gutachterausschüsse in Deutschland Andreas Teuber fest. Er ist für die Ermittlung von Bodenrichtwerten für Bauland und bebaute Grundstücke zuständig. Da die Bodenrichtwerte ohne Verzögerung ermittelt werden, ergeben sie ein sehr zeitnahes Bild der Preisentwicklung auf Basis von Kaufpreissammlungen. Die Preisentwicklung seit Beginn der Pandemie bezeichnet Teuber als “besonnen”.
Negative Effekte durch Corona könnten noch kommen.
Dass sich die stabile beziehungsweise steigende Preisentwicklung weiter fortsetzt, ist angesichts der mit Corona verbundenen Unklarheiten allerdings keineswegs gewiss. Viel hängt neben dem ungewissen Verlauf der Pandemie laut Teuber davon ab, wie sich das Thema Homeoffice entwickelt und welche Auswirkungen sich daraus für die Nachfrage nach Büroräumen ergeben.
Des Weiteren seien einige Zwangsversteigerungen derzeit aufgeschoben, weil die Kreditinstitute Raten stunden, aber nicht prinzipiell aufgehoben. Steigen die Arbeitslosenzahlen wieder, müsse sich die geminderte Kaufkraft früher oder später auch am Immobilienmarkt niederschlagen. Sollten sich die Zinsen doch wieder erhöhen, dürften sich außerdem für viele Kreditnehmer Schwierigkeiten bei der Anschlussfinanzierung für das Eigenheim ergeben.
Immobilienverwalter Balletshofer von der Bayerischen Hausbau zeigt sich weniger pessimistisch. Er sieht den Anteil von Hausbesitzern, die in Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit geraten, als nicht ausreichend an, um einen spürbaren Anstieg bei den Notverkäufen zu verursachen.
Quelle: ARD, Korrespondent Peter Sonnenberg